„Ein Wunder ihrer Zeit“, „die pommersche Sappho“ oder „die zehnte Muse“?

Daniel Georg Morhof

Der Rostocker Gelehrte Daniel Georg Morhof schrieb über sie in seinem Werk “Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie”.1720 pass. (Repr. 1969) 218f.

„Vor allen Dingen muß allhier nicht vorbey gegangen werden / daß wir in Teutschland Frauenspersonen gehabt / und auch noch zur Zeit haben / die die Männer selbst in der Tichtkunst beschämen können. Umb das Jahr 1638 lebte Sibylla Schwartzin / Herrn Christian Schwartzens / Fürstlichen Pommerischen geheimen Landraths / // und Burgermeisters der Stadt Greiffswalde / Tochter. Diese war traun ein Wunder ihrer Zeit / denn sie hat von dem dreyzehenden Jahre ihres Alters bis zum siebenzehenden / worinnen sie seeligen Todes verbliechen / Verse geschrieben / die vor solche zarte Jugend / und zwar eine Jungfer / unvergleichlich sind. Da zu derselben Zeit Männer / die in ihrem vollständigen Alter / und nachgehends keinen geringen Ruhm in der Poesie erworben / es ihr bey weitem nicht gleich gethan. Nach ihrem Tode sind ihre Verse von M. Samuel Gerlachen zu Dantzig Anno 1650. in 4to heraußgegeben / und mit des Herrn Pastorii, und Herrn Titii auffrichtigen Lobsprüchen beehret. (…)

Die Sonneten / die sie geschrieben / sind alle so gut / als sie seyn können.
(…)

Woraus denn zusehen / was in ihr für ein großer Geist gestecket / der in so zartem Alter schon solchen hellen Schein von sich gegeben. Dieses nimmet mich aber Wunder / daß man sie nicht in grösserer Hochachtung gehalten / sondern noch darzu / dieser grossen Gaben halber / verleumbdet / worüber sie hin und wieder klaget / welches ein unfehlbares Kennzeichen der ungeschliffensten Grobheit ist. Die alten Griechen und Römer / ja auch noch heute die Außländer / hätten vielmehr unter solchen Exempeln die Ehre ihrer Nation gesucht / wie sei denn dergleichen nicht verschweigen / kaum aber eins / das diesem gleich / in solchem Alter werden hervor bringen können.“

Johan Reginchom

Ists nicht ein Wunderding? Von noch nicht achtzehn Jahren
Ein zartes Jungfräulein (dergleichen man erfahren
Von keiner Mannsperson) hat solche Vers geschrieben /
So (Gott sei lob) zum Glück der Nachwelt sind verblieben.
Daß dadurch Gottesfurcht und Tugend werd´ erbauet /
Wenn man sie oftermals und fleißiglich anschauet.
Herr Gerlach / habt Ihr Dank / daß Ihr sie ausgegeben:
Der Meisterin und euch erhaltet Ihr das Leben
Des Namens auf der Erd. Im Himmel sollet haben
Ihr beiderseits / was Euch dafür noch mehr mag laben.
So von der Poesie nun wird ein Mann erhoben:
Viel mehr woll man mit Recht / Jungfrau Sibyllam loben.